Wir verlassen die Halbinsel von Russell und setzen mit
einer kleinen Fähre in 10 Minuten von Okiato nach Opua hinüber. Bald schlendern
wir durch den Touristenort Pahia. Besonders die Umgebung des Schifflandesteges
hat einige historische Gebäude aufzuweisen. Eine betagte Geigerin bringt uns
ein Ständchen.
Die beiden nach Osten eingeschlagenen Schlaufen bei
Kerikeri und Matauri mit ein paar zusätzlichen Kilometern sind zwar nicht die
kürzesten Wegstrecken, aber ermöglichen eine atemberaubende Perspektive der
nordöstlichen Inselwelt. Nicht umsonst nennt man die Strasse zur Matauri Bay
die „Million Dollar View Road“. Auch die Mahenipuia Bay strotzt vor Schönheit.
Und plötzlich steht man wieder vor Felsen und kleinen Bergen, als wäre man auf
einer Schweizer Alp.
Wir erreichen Avanui und sind nach weiteren 20 Kilometern
in Waipapakauri am südlichen Ende des Ninety Mile Beach. Hier schlagen wir für
zwei Tage unser Lager auf. Der Sandstrand der 90 Mile Beach darf mit
Motorfahrzeugen befahren werden. Davon wird emsig Gebrauch gemacht. Die
Tempobeschränkung 100 über den Strand erscheint uns jedoch sehr grosszügig! Der
Tag schliesst mit einem grandiosen Sonnenuntergang ab. 15 Minuten später regnet
es. Typisches Inselwetter eben.
Am nächsten Morgen werden wir von einem Bus der Firma
Harrison‘s abgeholt. Tagesziel ist die oberste Nordspitze Neuseelands. Wir
fahren zum hübschen Feriencamp Houhora Harbour, wo die polnische Familie
Zabriskie wohnt. Auf anderen Höfen hat es vorwiegend Leute aus Ex-Jugoslawien.
Dann geht die Fahrt nach Te Kao, dem selbsternannten „Ort mit den besten Glacés
von Neuseeland“. Diese sind tatsächlich sehr gut! Die Rarawa Beach auf der
Ostseite der Halbinsel glänzt mit schneeweissem Silikatsand, ist für uns aber
nicht in Reichweite. Auf der Westseite erscheinen hinter einem blauen
Wasserband die grossen Dünen von Te Paki.
Wir erreichen die äusserste Nordspitze Neuseelands beim
Cape Reinga. Ein Leuchtturm hilft den Seeleuten bei der Orientierung. Zum Baden
ist es hier trotz schönem Sandstrand viel zu gefährlich. Wo die Tasman See mit
dem Pazifischen Ozean zusammenstösst können heftige Strömungen und Wirbel
entstehen. Diese Gischt sieht man auch bei ruhigen Wetterverhältnissen sehr
gut. Westwärts dehnt sich die Te Werahi Beach in eine Inselspitze aus.
Als Ersatz für den uns entgangenen Wintersport bieten
sich die Riesendünen bei Te Paki an. Tatsächlich ist das Schlitteln auf Sand
ein ganz besonderes Vergnügen. Unten warten ein Wasserlauf und der Bus, welcher
durch eine Furt den Weg zur Nintey Mile Beach einschlägt.
Die 90 Mile Beach ist in Wahrheit lediglich rund 90 km
lang. Sämtliche Busse zum Cape Reinga machen je nach Gezeitenstand entweder den
Hin- oder den Rückweg über diesen Strand. Über den Sinn oder Unsinn einer
solchen Fahrt kann man diskutieren. Ein eindrückliches Erlebnis ist sie allemal.
Die Insel Motupia steht hier durchlöchert im Meer. Am Abend sind wir wieder in
Waipapakauri bei unserem Wohnmobil.
Die Fahrt geht vorbei am kleinen Lake Ngatu. Nach dem
Provinzhauptstädtchen Kataia drehen wir nach Südwesten und fahren über den Twin
Coast Discovery Drive durch die Herekino Gorge. Die kleine Hokianga Fähre
bringt uns von Rangiora nach Rawene über den Hokianga Harbour. Dadurch sparen
wir einen Umweg von 60 km ein. An der Mündung des Harbours zum Meer stehen bei
Opononi und Omapere wiederum riesige Sanddünen.
Im subtropischen Regenwald des Waipoua Kauri Forest
stehen noch einige Baumgiganten, welche nicht der Axt der weissen Siedler zum
Opfer fielen. Der „Herr des Waldes“ (Tane Mahuta) ist eine Kaurifichte (Agathis
australis) von riesigem Ausmass. Der Gigant hat einen Umfang von fast 13 m und
eine Höhe von 56 m. Sein Alter wird auf gegen 2‘000 Jahre geschätzt. Wir
wandern auch zu den „Vier Schwestern“ und zum nicht weniger eindrucksvollen „Vater
des Waldes“ (Te Mahuta Ngahere), der vielleicht 4‘000 Jahre alt ist. Die
Wurzelbereiche der Kauribäume sind sehr empfindlich. Deshalb darf man die Wege
und Stege hier nicht verlassen. Zudem muss man seine Schuhe desinfizieren, da
eine Pilzart die Bäume gefährden kann. Wir übernachten an einem Flüsschen auf
dem sehr schönen Kauri Beach Holiday Park bei Kaihu.
Die Seenplatte der Kai Iwi Lakes ist ein Kinder- und Naturparadies.
Hier gibt es Campingzonen, Spielplätze und Wanderwege. Die westliche Kauriküste
ist sehr grün und ländlich. Sie erinnert da und dort auch an die Schweiz, auch
wenn das „Matterhorn“ hier viel kleiner ist. In Dargaville steht ein Denkmal
für die vielen Pioniere aus Dalmatien, welche einst nach dem begehrten
Kauriharz (Kauri Gum) gegraben haben. Das Kauri Harz ähnelt in einigen
Merkmalen dem Bernstein,
einem auf der Nordhalbkugel vorkommenden fossilen Harz. Während Bernstein
jedoch mehrere Millionen Jahre alt ist, ist fossiles Kauriharz nach
Altersbestimmungen mit der Radiokohlenstoffmethode nur wenige tausend
Jahre alt. Es wurde entweder von den Kronen der Bäume heruntergeholt oder rund
um die abgestorbenen und oft vergrabenen Wurzelstöcke im nassen Boden ausgebuddelt.
Bei den Maoris fand das Harz als Stoff zum Tätowieren Verwendung. Das mit Öl
versetzte Harz wurde auch zur Herstellung von witterungsbeständigen Farben benutzt.
Daneben wurden ihm auch medizinische Heilkräfte zugeschrieben.
Der Run nach Kauri Gum war zeitweise demjenigen nach Gold
vergleichbar. Im Kauri Museum in Matakohe wird diese Pionierzeit eindrücklich dokumentiert.
Eine wahre Schatzkammer ist der Kauri Gum Raum. Da denkt man an das sagenumwitterte
Bernsteinzimmer, welches seit dem zweiten Weltkrieg in Russland verschollen
ist. Im Museum findet man nebst vielen Fotos auch Geräte, Maschinen, Möbel und
Kunstschnitzereien. Neben dem wirklich sehenswerten Museum stehen ein altes
Kirchlein sowie ein historisches Postbüro und eine alte Schule. Die damals
geltenden Regeln für Lehrerinnen wären heute wohl kaum mehr durchzusetzen!