Dienstag, 30. April 2013

51. Cape Reinga und Ninety Mile Beach


Wir verlassen die Halbinsel von Russell und setzen mit einer kleinen Fähre in 10 Minuten von Okiato nach Opua hinüber. Bald schlendern wir durch den Touristenort Pahia. Besonders die Umgebung des Schifflandesteges hat einige historische Gebäude aufzuweisen. Eine betagte Geigerin bringt uns ein Ständchen. 
Die beiden nach Osten eingeschlagenen Schlaufen bei Kerikeri und Matauri mit ein paar zusätzlichen Kilometern sind zwar nicht die kürzesten Wegstrecken, aber ermöglichen eine atemberaubende Perspektive der nordöstlichen Inselwelt. Nicht umsonst nennt man die Strasse zur Matauri Bay die „Million Dollar View Road“. Auch die Mahenipuia Bay strotzt vor Schönheit. Und plötzlich steht man wieder vor Felsen und kleinen Bergen, als wäre man auf einer Schweizer Alp.
Wir erreichen Avanui und sind nach weiteren 20 Kilometern in Waipapakauri am südlichen Ende des Ninety Mile Beach. Hier schlagen wir für zwei Tage unser Lager auf. Der Sandstrand der 90 Mile Beach darf mit Motorfahrzeugen befahren werden. Davon wird emsig Gebrauch gemacht. Die Tempobeschränkung 100 über den Strand erscheint uns jedoch sehr grosszügig! Der Tag schliesst mit einem grandiosen Sonnenuntergang ab. 15 Minuten später regnet es. Typisches Inselwetter eben. 
Am nächsten Morgen werden wir von einem Bus der Firma Harrison‘s abgeholt. Tagesziel ist die oberste Nordspitze Neuseelands. Wir fahren zum hübschen Feriencamp Houhora Harbour, wo die polnische Familie Zabriskie wohnt. Auf anderen Höfen hat es vorwiegend Leute aus Ex-Jugoslawien. Dann geht die Fahrt nach Te Kao, dem selbsternannten „Ort mit den besten Glacés von Neuseeland“. Diese sind tatsächlich sehr gut! Die Rarawa Beach auf der Ostseite der Halbinsel glänzt mit schneeweissem Silikatsand, ist für uns aber nicht in Reichweite. Auf der Westseite erscheinen hinter einem blauen Wasserband die grossen Dünen von Te Paki.
Wir erreichen die äusserste Nordspitze Neuseelands beim Cape Reinga. Ein Leuchtturm hilft den Seeleuten bei der Orientierung. Zum Baden ist es hier trotz schönem Sandstrand viel zu gefährlich. Wo die Tasman See mit dem Pazifischen Ozean zusammenstösst können heftige Strömungen und Wirbel entstehen. Diese Gischt sieht man auch bei ruhigen Wetterverhältnissen sehr gut. Westwärts dehnt sich die Te Werahi Beach in eine Inselspitze aus.
Als Ersatz für den uns entgangenen Wintersport bieten sich die Riesendünen bei Te Paki an. Tatsächlich ist das Schlitteln auf Sand ein ganz besonderes Vergnügen. Unten warten ein Wasserlauf und der Bus, welcher durch eine Furt den Weg zur Nintey Mile Beach einschlägt.
Die 90 Mile Beach ist in Wahrheit lediglich rund 90 km lang. Sämtliche Busse zum Cape Reinga machen je nach Gezeitenstand entweder den Hin- oder den Rückweg über diesen Strand. Über den Sinn oder Unsinn einer solchen Fahrt kann man diskutieren. Ein eindrückliches Erlebnis ist sie allemal. Die Insel Motupia steht hier durchlöchert im Meer. Am Abend sind wir wieder in Waipapakauri  bei unserem Wohnmobil.

Die Fahrt geht vorbei am kleinen Lake Ngatu. Nach dem Provinzhauptstädtchen Kataia drehen wir nach Südwesten und fahren über den Twin Coast Discovery Drive durch die Herekino Gorge. Die kleine Hokianga Fähre bringt uns von Rangiora nach Rawene über den Hokianga Harbour. Dadurch sparen wir einen Umweg von 60 km ein. An der Mündung des Harbours zum Meer stehen bei Opononi und Omapere wiederum riesige Sanddünen.
Im subtropischen Regenwald des Waipoua Kauri Forest stehen noch einige Baumgiganten, welche nicht der Axt der weissen Siedler zum Opfer fielen. Der „Herr des Waldes“ (Tane Mahuta) ist eine Kaurifichte (Agathis australis) von riesigem Ausmass. Der Gigant hat einen Umfang von fast 13 m und eine Höhe von 56 m. Sein Alter wird auf gegen 2‘000 Jahre geschätzt. Wir wandern auch zu den „Vier Schwestern“ und zum nicht weniger eindrucksvollen „Vater des Waldes“ (Te Mahuta Ngahere), der vielleicht 4‘000 Jahre alt ist. Die Wurzelbereiche der Kauribäume sind sehr empfindlich. Deshalb darf man die Wege und Stege hier nicht verlassen. Zudem muss man seine Schuhe desinfizieren, da eine Pilzart die Bäume gefährden kann. Wir übernachten an einem Flüsschen auf dem sehr schönen Kauri Beach Holiday Park bei Kaihu. 
Die Seenplatte der Kai Iwi Lakes ist ein Kinder- und Naturparadies. Hier gibt es Campingzonen, Spielplätze und Wanderwege. Die westliche Kauriküste ist sehr grün und ländlich. Sie erinnert da und dort auch an die Schweiz, auch wenn das „Matterhorn“ hier viel kleiner ist. In Dargaville steht ein Denkmal für die vielen Pioniere aus Dalmatien, welche einst nach dem begehrten Kauriharz (Kauri Gum) gegraben haben. Das Kauri Harz ähnelt in einigen Merkmalen dem Bernstein, einem auf der Nordhalbkugel vorkommenden fossilen Harz. Während Bernstein jedoch mehrere Millionen Jahre alt ist, ist fossiles Kauriharz nach Altersbestimmungen mit der Radiokohlenstoffmethode nur wenige tausend Jahre alt. Es wurde entweder von den Kronen der Bäume heruntergeholt oder rund um die abgestorbenen und oft vergrabenen Wurzelstöcke im nassen Boden ausgebuddelt. Bei den Maoris fand das Harz als Stoff zum Tätowieren Verwendung. Das mit Öl versetzte Harz wurde auch zur Herstellung von witterungsbeständigen Farben benutzt. Daneben wurden ihm auch medizinische Heilkräfte zugeschrieben.
Der Run nach Kauri Gum war zeitweise demjenigen nach Gold vergleichbar. Im Kauri Museum in Matakohe wird diese Pionierzeit eindrücklich dokumentiert. Eine wahre Schatzkammer ist der Kauri Gum Raum. Da denkt man an das sagenumwitterte Bernsteinzimmer, welches seit dem zweiten Weltkrieg in Russland verschollen ist. Im Museum findet man nebst vielen Fotos auch Geräte, Maschinen, Möbel und Kunstschnitzereien. Neben dem wirklich sehenswerten Museum stehen ein altes Kirchlein sowie ein historisches Postbüro und eine alte Schule. Die damals geltenden Regeln für Lehrerinnen wären heute wohl kaum mehr durchzusetzen!

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